Modernes Kleid für alte Meister

Farbenfrohes Apartment

Blauer Salon im Hofgut

„Am Anfang“, sagt Sabine von Savigny, „steht immer das freihändige Skizzieren, die Suche mit dem Stift in der Hand, möglichst ohne zu denken, ohne Ziel.“ Manchmal spürt die Innenarchitektin auch Fehler auf, sucht nach den Mutationen in einem Raum. Oder sie geht der Geschichte eines Hauses auf den Grund – weil nur aus der Vergangenheit Neues entstehen kann. Ihr eigenes Zuhause, ein denkmalgeschütztes Hofgut an der hessisch-bayerischen Grenze, wurde ursprünglich als Gartenpavillon genutzt und über zwei Jahrhunderte zum Landschloss ausgebaut. „Das Haus ist geprägt von seiner Geschichte. Bei uns trafen sich die Brentanos mit dem Ururgroßvater meines Mannes.“ Umgeben von einem Park mit teils 250 Jahre alten Bäumen, Wildtieren und Vogelgezwitscher lebt die Innenarchitektin hier mit ihrer Familie. Das Schloss-Apartment mit zweieinhalb Zimmern wird vor allem als Showroom, Besprechungsraum und Gästebereich genutzt, die Familie logiert in den Räumen darüber. Die Wohnung grenzt an Sabine von Savignys Büro, in dem sie an einem Konferenztisch aus den siebziger Jahren und unter einem Muranoglasleuchter neue Ideen ausarbeitet, ob für Lichtspielhäuser, Kanzleien oder Privathäuser. „Bei unserem Apartment ging es mir darum, einen frischen und strahlenden Saloncharakter zu erzeugen.“

Anzahl der Bewohner2 Personen
Wohnfläche 115 qm
Standort Freigericht
Fertigstellung2017
Planungsbürovon Savigny Interior
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Ausführungvon Savigny Interior
FotografieSabine von Savigny
Das wichtigste in meinem Beruf ist Einfühlungsvermögen. Für den Ort und die Menschen, die dort leben und arbeiten.

Sabine von Savigny

Die zündende Inspiration kam ihr auf dem Dachboden. Dort entdeckte sie eine große Meißner Vase mit Muster in Delfter Blau und baute darauf den Wohnraum in einer Dramatik auf, die an einen Filmset erinnert. Dennoch: „Die größte Herausforderung war, das Traditionelle neu zu interpretieren, ohne es kulissenmäßig wirken zu lassen.“ Die über vier Meter hohen, vertäfelten Wände des Wohnraums sind samt Sockelleisten und davorstehendem Schrank ganz in Blau getüncht. „Als dann der Teppich von Marcel Wanders lag, war ich richtig glücklich.“ Er imitiert mit rund drei Metern Durchmesser eine Servierplatte in Delfter Blau, mit einem ganz ähnlichen Muster wie auf der Meißner Vase, die ihren Platz neben einem Ahnenporträt auf einer antiken Konsole gefunden hat. Auf den Teppich rückte die Innenarchitektin ein blau bezogenes antikes Samtsofa und stellte einen Eames-Loungechair in Weiß dazu. Sie lässt auf den rund 80 Quadratmetern Farbe und Form die Hauptrollen übernehmen und vertraut deren Wirkung. Dazu verzichtet sie bewusst auf viele Accessoires: „Ich finde, ‚Stehrümchen’ werden überschätzt.“ Auch nebenan spielt Farbe die Schlüsselrolle: Wände und Decke sind in opulentem Rot gehalten, denn in diesem Salon wurden früher Verlobungengefeiert. Sabine von Savigny übernahm die Farbe der Tapeten, ließ die Wände rot streichen und nutzt die Nische nun als Schlafzimmer für Gäste. Viel minimalistischer geht es in der fast 40 Quadratmeter großen Küche eine Etage über dem Apartment zu. „Unsere Wohnküche sollte ebenfalls alte Traditionen in die heutige Zeit transferieren“, beschreibt sie das Konzept. Ein Küchenblock mit Platte aus Carrara-Marmor bildet das Zentrum, um das sich die ganze Familie zum Vorbereiten und Plaudern versammelt. Statt Einbauten stellt ein offener Werkschrank Geschirr und Utensilien aus. Ob Familienküche oder Apartment – Sabine von Savigny hält die Vergangenheit lebendig. Porträts der einstigen Besucher und Bewohner, der Vorfahren ihres Mannes also, fotografierte sie ab und ließ sie auf Leinwand ziehen. So wachen sie weiterhin über die Geschicke dieses geschichtsträchtigen Gebäudes – überlebensgroß, würdevoll und absolut zeitgemäß.

Impressionen